Beziehung trotz Borderline

In diesem Beitrag möchte ich euch ein bisschen über das Thema Beziehungen als Borderliner und mit einem Borderliner erzählen. Im Allgemeinen behauptet man, dass wir Borderliner keine Beziehungen führen können oder wenn, dann sind sie bloß sehr kurz. Es heißt oft, dass wir beziehungsunfähig sind oder dass wir sogar Beziehungskiller sind.

Kann man mit uns eine Beziehung führen?

Darauf gibt es nur eine Antwort: Ja! Natürlich ist es möglich, dass man mit uns in einer Beziehung ist. Ich habe aber nicht behauptet, dass es einfach ist. Es gibt Punkte, die gegen eine Beziehung mit uns sprechen. Allerdings gibt es auch Punkte, die für eine Beziehung sprechen. Man muss sich selber mit dem Thema auseinandersetzen und sich klar werden, welche Schattenseiten eine Beziehung mit uns, haben kann. Aber welche Beziehung hat keine Schattenseiten? Realisiert bitte nicht nur die Schattenseiten. Alles in der Welt hat sowohl positive als auch negative Seiten.

Wie immer verallgemeinere ich das alles bloß. Nicht alles trifft auf jeden zu.

Welche Schattenseiten gibt es?

Eigentlich gibt es leider recht viel, was gegen uns spricht. Es kommt bloß immer darauf an, wie unser (potenzieller) Partner damit umgeht bzw. umgehen kann UND wie gut wir selber damit umgehen können. Ich rede jetzt allerdings nicht nur von den belastbaren Stimmungsschwankungen. Klar die spielen eine große Rolle, aber es gibt schlimmeres. Als jemand, der sich überlegt, mit einem Betroffenen eine Beziehung einzugehen, muss sich im Klaren sein, dass nicht immer alles schön ist. Es kann plötzlich auch alles schlecht oder traurig oder so sein. Das natürlich ohne ersichtlichen Grund. Eventuell Tag täglich diese Stimmungsschwankungen mitzuerleben, kann auf Dauer echt an den Nerven zerren. Ich persönlich könnte es aber keinem übel nehmen. Sie nerven mich ja selber.

Da unser Leben im allgemeinen recht instabil ist und wir meistens zu Wutausbrüchen neigen, kann es natürlich auch vorkommen, dass wir unseren Partner für eine Kleinigkeit beschimpfen, weil wir uns halt selber nicht kontrollieren können. Wir meinen das allerdings oft nicht so. Es gibt leider auch viele Fälle, in denen der Borderliner handgreiflich wird, wenn ihm was nicht passt. So ist aber nicht jeder. Es gibt natürlich auch viele, die ihre Aggressionen kontrollieren können oder sie zumindest so weit kontrollieren können, dass sie sie nicht an anderen auslassen.

Wir sind meistens sehr sensibel und nehmen uns meistens alles sehr zu Herzen, was man uns an den Kopf wirft. Wir sind verletzlicher als andere Menschen. Es kann sein, dass der Partner sich bloß einen Scherz erlauben wollte, aber uns hat dieser Scherz wirklich schlimm getroffen. Wir fühlen uns dann vielleicht verletzt und wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Daraufhin kann es zu einem Streit kommen oder einem Anfall. Wir machen gerne aus einer Mücke einen Elefanten und zweifeln dann an der Beziehung und das alles bloß wegen einem kleinen Scherz.

Wenn wir etwas wollen oder nicht wollen, provozieren wir den Partner schnell mal. Wir haben eigentlich meistens recht gute Menschenkenntnisse und wissen, was wir sagen oder machen müssen, um das zu bekommen, was wir wollen. Wir machen es dann allerdings meistens unbewusst. Genauso wie wir unseren Gegenüber sozusagen erpressen oder ihm drohen, dass wir uns zum Beispiel was antun werden, wenn er dies oder jenes tut oder eben nicht tut. Es kann dann allerdings auch passieren, dass es nicht nur bei einer Drohung bleibt, sondern dass wir uns wirklich etwas antun. Oftmals möchte unser Gegenüber es aber nicht riskieren, dass wir ihm nur gedroht haben.

Die meisten von uns haben schon schreckliches erlebt und auch grauenhafte Trennungen hinter sich. Wir haben Angst, so eine Trennung nochmal durchmachen zu müssen. Aus diesem Grund kann es schnell passieren, dass wir Abstand von der Beziehung suchen oder sie schnell selber wieder beenden. Die Angst ist zu groß. Meistens wollen wir das aber gar nicht.

Durch unsere überaus starken Verlustängste sind wir meistens auch sehr eifersüchtig und kontrollieren unseren Partner. Wir wollen wissen, was er wann mit wem macht und was er wann mit wem geschrieben hat und so weiter. Wenn er uns dann mal etwas nicht sagt, werden wir sofort skeptisch und zweifeln an der Liebe zu uns. Wir machen uns dann einen Kopf darüber, ob er nicht vielleicht schon jemand anderes im Auge hat oder sowas ähnliches. Dann fangen wir an, unserem Partner klar zu machen, dass er das beste sei, was uns jemals passiert ist und dass wir ohne ihn nicht mehr leben können und wollen. Damit setzen wir unseren Partner auch wieder unter Druck. Meistens zumindest. Es sind aber bloß unsere Gedanken. Wir wollen unseren Gegenüber damit keinesfalls unter Druck setzen. Es könnte allerdings passieren, dass wir uns etwas antun, wenn er uns verlässt oder so.

Das ist auch wieder so ein Punkt, das selbstverletzende Verhalten. Viele Borderliner fügen sich selber Schmerzen zu, um wieder in die Realität zu gelangen. Aber wer möchte gerne dabei zusehen, wie sein Partner immer wieder neue Narben dazu bekommt? Wahrscheinlich die wenigsten. Ich hoffe es zumindest.

Was ist das schöne an der Beziehung?

Der wohl größte Punkt ist, dass keiner so liebt wie wir. Wir lieben sehr intensiv und wenn wir lieben, lieben wir richtig. Ganz nach dem Motto: „Ganz oder gar nicht!“. Unsere Liebe zu unserem Partner ist unglaublich intensiv. Wir wollen ihn und sonst keinen und wir würden alles dafür tun, um ihn nicht zu verlieren. Niemand anderes kann dir so ein starkes Wohlbefinden übermitteln wie wir. Wir führen eine Beziehung mit verdammt viel Leidenschaft. Und wir kümmern uns sehr um die Bedürfnisse unseres Partners. Es soll ihm gut gehen und er soll uns nicht verlassen.

Mit uns wird es eigentlich auch nie langweilig. Es gibt immer wieder was Neues zu erleben und da wir das Extreme lieben und oft auch das Risiko, kann man mit uns oft Abenteuer erleben. Die meisten von uns können von Adrenalin nicht genug haben. Wir neigen auch zu risikoreichem Verhalten wie zum Beispiel schnelles Autofahren. Dieses Adrenalin, welches durch unseren Körper strömt, lässt uns fühlen und leben.

Die meisten von uns haben auch sozusagen das „Helfersyndrom“. Wir sind unglaublich hilfsbereit und wir würden uns für unseren Partner jederzeit opfern, bloß damit es ihm gut geht. Wenn er krank ist, weichen wir ihm nicht von der Seite. Er könnte jederzeit etwas brauchen. Allerdings haben wir diese Hilfsbereitschaft nicht nur bei unserem Partner, sondern haben es allgemein. Vielen von uns hilft es sogar, wenn wir anderen helfen können. Es erfüllt uns. Es gibt uns einen Grund, um weiterzukämpfen. Um diese Krankheit zu bekämpfen. Aber besonders unserem Partner wollen wir helfen. Ich hab (glaube ich) jedes Mal, wenn mein Ex-Partner irgendwo hingefahren ist, mehrfach betont, dass er vorsichtig fahren soll und dass er mir schreiben soll, wenn er angekommen ist oder wenn irgendwas sein sollte.

Tipps an den (potenziellen) Partner

Dir sollte bewusst sein, welche Schattenseiten vorkommen könnten. Du solltest damit zurechtkommen, dass es uns Borderlinern halt nicht immer gut gehen kann. Wenn wir uns zum Beispiel Schmerzen zufügen, solltest du dir dafür nicht die Schuld geben. Du bist daran nämlich nicht schuld, die Krankheit ist daran schuld.

Zudem solltest du Interesse an dem Borderline-Syndrom und deren möglichen Begleiterkrankungen haben. Du solltest dich noch BEVOR du mit einem Borderliner zusammenkommst, darüber informieren. Aber wenn du das hier liest und du so einer bist, tust du es scheinbar und das freut mich wirklich sehr. Es gibt nicht viele, die nicht von der Krankheit betroffen sind und sich darüber informieren.

Du solltest als (potenzieller) Partner, die jeweiligen Gefühle, trennen können. Die Gefühle vom Borderliner sind nicht deine eigenen Gefühle. Lass dich davon nicht mitreißen. Setze Grenzen sowohl für dich als auch für deinen Partner mit Borderline. Und ihr müsst euch dann natürlich auch an die Grenzen halten.

Sei nicht so zu hart zu deinem Partner. Zeig ihm, dass du ihn oder sie verstehen willst und behandel uns mit Respekt. Du möchtest ja auch mit Respekt behandelt werden, oder nicht? Wir sind auch bloß Menschen. Wir sind bloß sehr zerbrechlich. Ein kleiner Tipp ist also, dass es hilfreich wäre, wenn du einfühlsam wärst. Und wenn du etwas nicht verstehst, frag deinen Partner einfach.

Sei du selbst. Wenn dich etwas stört oder du ein Problem hast oder so, rede mit deinem Partner. Du solltest nicht einfach alles zurückstecken, bloß weil dein Partner krank ist. Vernachlässige dich nicht für deinen Partner. Damit schadest du nicht nur dir, sondern auch deinem Partner mit Borderline. Dein Partner wird wollen, dass es dir gut geht. Und gehe sensibel mit deinem Partner um. Die meisten triggert man, wenn man zum Beispiel über das Thema Sex redet oder wenn es um deren Familienverhältnisse geht oder vergangene Ereignisse, die sie noch nicht verarbeitet haben.

Da wir Borderliner in der Vergangenheit viel einstecken mussten, können wir manchmal auch gut austeilen. Ob gewollt oder nicht, spielt dabei jetzt keine Rolle. Du solltest also schon ein etwas dickeres Fell mitbringen.

Und bitte tu mir einen Gefallen: Spiele NIE den Therapeuten!! Du kannst auch nicht wissen, was unsere nächste Handlung ist. Das wissen wir meistens nicht mal selber. Woher solltest du es also wissen? Für Therapien gibt es Therapeuten, die das alles jahrelang gelernt haben. In den meisten Fällen verschlimmern sie das Wohlbefinden ihres Partners dadurch nur. Ihr Partner sucht in ihnen keinen Therapeuten, sondern eine helfende Hand. Eine Schulter, an der sie sich anlehnen können und die ihnen Schutz bietet. Wenn du deinem Partner wirklich helfen möchtest, lerne die Person und die Krankheit kenne und begleite deinen Partner zum Beispiel zu den Therapiesitzungen.

Wenn du planst, die Beziehung zu beenden, kann es gut möglich sein, dass dein Partner komplett überreagiert. Ob jetzt mit einem Wutausbruch oder einem Weinkrampf kann ich dir jetzt natürlich nicht sagen. Für deinen Partner wird eine Welt zusammenbrechen. Wir erleben Trennungen viel intensiver als andere. Probiere also jemandem zu sagen, dass du dich trennen wirst, wie zum Beispiel einem guten Freund/ einer guten Freundin, einem Familienmitglied oder sogar dem Therapeuten/ der Therapeutin der Betroffenen. Diese Person sollte unmittelbar nach der Trennung für deinen Partner da sein. Dadurch hilfst du deinem Partner und zugleich verringert es deine Schuldgefühle, die du vielleicht bekommen könntest.

Mein Fazit

Es ist also natürlich möglich, mit uns eine Beziehung zu führen, es ist bloß nicht immer leicht mit uns. Das sollte einem bewusst sein. Nehmt die Schattenseiten nicht auf die leichte Schulter und sagt einfach „die sind mir egal“ oder so. Wir werden euch immer wieder damit auf die Probe stellen und das auch unbewusst. Wenn ihr aber unser Herz gewonnen habt, werdet ihr es so schnell nicht mehr los und ihr werdet keine Beziehung mit jemand anderes führen, die so intensiv ist, wie mit uns. Wenn ihr euch aber beide wirklich liebt und ihr beide Kompromisse eingehen könnt und miteinander reden könnt, solltet ihr das hinbekommen. Mit der Zeit lernt der „gesunde“ Partner auch, wie er in welcher Situation reagieren muss bzw. sollte. Es sollte euch beiden bewusst sein, dass nicht alles so gemeint ist, wie der Betroffene es gesagt hat. Vieles kommt einfach von der Krankheit.

Für alle, die in so einer Beziehung sind oder es versuchen wollen, wünsche ich von Herzen viel Glück und ich hoffe, dass es lange hält und es keine großen Schwierigkeiten gibt. Gebt nicht so schnell auf, falls es mal nicht so gut laufen sollte. Nach einem Tief kommt auch immer ein Hoch. Haltet an den schönen Dingen der Beziehung fest und lasst die Krankheit nicht gegen eure Liebe gewinnen.

Tanja Verfasst von:

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