Probleme im Alltag hat auf eine gewisse Art und Weise jeder Mensch. Borderliner haben oft bloß auch noch andere Probleme, die gesunde Menschen eher seltener haben. Was ich für Probleme habe und wie sie mich einschränken, werde ich euch hier erzählen. Bedenkt aber, dass ich nicht nur unter dem Borderline-Syndrom leide, sondern auch noch zum Beispiel unter Depressionen.
Hier ist eine grobe Auflistung von Problemen, die mir jetzt so spontan einfallen. Die Punkte haben keine bestimmte Reihenfolge. Ich werde sie gleich aber nochmal genauer erklären:
- Antriebslos
- Angst vor einem plötzlichen Stimmungswechsel
- Entscheidungsschwierigkeiten
- Helfersyndrom
- Mehr „Sinne“ als normale Menschen
- Sehr hohe Empathie
- Kraftlos
- Gedankenkarussell
- Innere Leere
- Narben verstecken
- Angst vor fremden Menschenmassen
Antriebslos
Beginnen wir mal bei dem ersten Punkt. Antriebslos zu sein, erschwert im Prinzip das ganze Leben. Bei mir ist das so, dass es mal ein paar Tage oder Wochen sehr schlimm ist und dann hab ich plötzlich so viel Energie, dass ich gar nicht weiß, wohin damit. Beides ist nicht ganz praktisch, aber lieber zu viel als zu wenig Energie. Der fehlende Antrieb macht sich schon beim Aufwachen bemerkbar. Ich finde in meinen Gedanken keinen Grund, wofür ich aufstehen sollte. Dementsprechend fehlt mir der Antrieb, um überhaupt richtig wach zu werden und ich dreh mich lieber wieder um. Irgendwann habe ich es dann endlich mal geschafft, etwas wach zu werden, weil mein Handy zum Beispiel die ganze Zeit vibriert, weil jemand was von mir möchte oder sich Sorgen macht oder so. Das heißt dann aber nicht, dass ich auch aufstehe. Ich hole mir abends meistens so viel zu trinken ans Bett, dass ich morgens noch etwas davon übrig habe und falls ich mal Hunger haben sollte, fehlt mir trotzdem immer noch der Antrieb, um mir was zu essen zu holen. Der Hunger vergeht nach einer Zeit von alleine.
Haushaltsarbeiten sind für die meisten wohl nicht so spannend und die meisten müssen sich wahrscheinlich oft etwas überreden, um endlich mal anzufangen. Für mich ist es noch schwerer, weil mir der allgemeine Antrieb für überhaupt irgendwas fehlt. Ich verschiebe aus diesem Grund vieles immer auf den nächsten Tag. Und dann wieder auf den nächsten Tag. Das geht dann so lange, bis ich mal wieder etwas Antrieb habe.
Angst vor einem plötzlichen Stimmungswechsel
Die meiste Zeit bin ich ein sehr lebensfroher Mensch, aber ich habe trotzdem meine schwarzen Momente. Oft bekomme ich Angst, wenn ich längere Zeit gute Laune habe. Ich habe Angst, dass die gute Laune gleich verschwindet. Was mach ich dann? Spiele ich allen was vor, damit ich die Laune nicht runterziehe? Gehe ich einfach weg und beruhige mich erstmal? Oder zeige ich lieber das, was ich denke?
Es kommt oft vor, dass nach extremer guten Laune, extrem schlechte Laune kommt. Meistens habe ich in solchen Momenten aber keine Lust, schlechte Laune zu haben. Dann ärgere ich mich, weil ich es nicht kontrolliert bekomme. Dann werde ich oft auch sehr zickig und mecker mich dann selber an, dass ich meine gute Laune zurück haben möchte. Ja ich weiß.. Das klingt komisch. Ich fühle mich danach auch sehr komisch und frage mich, wieso ich das wieder gemacht habe.
Komisch ist es auch, wenn ich gerade richtig Depri-Stimmung habe und mal wieder über einen Suizid nachdenke und plötzlich ist alles wieder gut und ich habe richtig gute Laune. Da frage ich mich manchmal, was die anderen wohl gerade denken. Das muss sehr komisch sein. Oft werde ich dann verwirrt angeguckt. Manchmal sind dann welche böse auf mich, weil sie denken, dass ich ihnen jetzt nur etwas vorspiele. Das stimmt aber nicht.
Entscheidungsschwierigkeiten
Mit diesem Thema will ich eigentlich am liebsten gar nicht erst anfangen. Die Überschrift sagt wohl schon alles. Mich zu entscheiden fällt mir sehr schwer. Ich schaffe es nicht. Wenn ich mich entscheiden muss, fange ich immer an zu überlegen und im Endeffekt ist die pro und contra Liste gleichlang. Dann stehe ich wieder am Anfang. Mich für etwas zu entscheiden, ist sehr anstrengend. Fängt schon bei Kleinigkeiten an. Wenn ich dann größere Entscheidungen treffen muss, überfordert es mich total. Damit komme ich nicht zurecht.
Helfersyndrom
Zu helfen, ist eine schöne Sache und es gibt mittlerweile zu wenig Menschen auf dieser Welt, die anderen Menschen helfen und es auch noch ohne Gegenleistung tun. Bei mir ist das allerdings eher zwanghaft. Ich kann nicht anders. Wenn jemand nach Hilfe fragt, bin ich die Erste, die da ist und das ohne zu zögern. In dem Moment ist es mir vollkommen egal, wie es mir gerade geht. Damit kam ich allerdings auch schonmal aus einem Anfall raus. Ich hatte einen Anfall und wollte nicht mehr leben. Ich griff gerade zur Klinge und dann bekam ich bei WhatsApp eine Nachricht mit dem Inhalt „Hilfe!!“. Daraufhin habe ich die Klinge wieder weggelegt und habe gefragt, was los ist. Dann erfuhr ich, dass diese Person gerade dasselbe vorhat, was ich vorhatte. Ich habe ihm dann aus diesem Anfall geholfen und alles ist soweit gut gegangen. Danach hatte ich selber auch gar kein Verlangen mehr, weil der Anfall währenddessen schon aufgehört hat.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie manche Menschen nicht helfen. Ich kann nicht ohne. Klingt vielleicht wieder etwas komisch, aber wenn mich jemand fragt: „Was ist der Sinn des Lebens?“ dann antworte ich mit sowas wie: „Der Sinn des Lebens besteht für mich darin, anderen zu helfen.“. Wenn ich jemandem helfen kann, bin ich glücklich.
Mehr „Sinne“ als andere Menschen
Das ist ein etwas komplizierteres Thema. Für das Thema muss ich etwas weiter ausholen. Diese „Sinne“ oder „Gaben“ oder wie auch immer, sind eigentlich sehr positiv, aber mit der Zeit, werden sie eher immer mehr zur Last. Das werde ich euch in einem der nächsten Beiträge genauer erläutern.
Sehr hohe Empathie
Empathie bedeutet, dass man merkt, wie es dem anderen geht und dann versteht, wieso es ihm so geht. Daraufhin dann richtig handelt und zu wissen, wie er auf mein handeln reagieren wird. Klingt komplizierter, als es ist. Finde ich zumindest. Für mich ist das aber auch ganz normal und meine Sinne sind dafür sehr ausgeprägt. Ich erkenne es fast immer, wie es meinem Gegenüber geht. Auch wenn er probiert, mir was vorzuspielen. Manchmal merk ich aber, dass er jetzt nicht positiv reagieren würde, wenn ich ihn darauf ansprechen würde und lenke ihn dann irgendwie anders ab, ohne dass er es wirklich merkt. Nervig ist es manchmal, wenn ich mit Freunden unterwegs bin und dann zum Beispiel jemand fremdes sehe, der gerade traurig ist oder so. Ich muss dann die ganze Zeit an diese Person denken.
Kraftlos
Jede Kleinigkeit ist für mich unglaublich anstrengend. Wenn ich mich für etwas entscheiden muss, verbrauche ich viel Energie. Oder wenn ich gegen die Antriebslosigkeit kämpfe und zum Beispiel aufstehe, ist das anstrengend. Nach einem Anfall, ist der restliche Tag für mich nicht mehr zu bewältigen. Ich bin unglaublich müde und geschafft. Dann fühle ich mich so, als wäre ich drei Stunden dauerhaft gerannt. Das Gedankenkarussell zu stoppen, ist auch nicht gerade leicht. Im Prinzip ist alles für mich schwerer zu bewältigen, als für gesunde Menschen. Für die meisten ist es zum Beispiel nicht sonderlich anstrengend, sich zwischen Fenster auf oder Fenster zu entscheiden zu müssen. Für mich ist das hingegen sehr anstrengend. Jeder Mensch hat sozusagen einen bestimmten Energiebalken. Da für mich aber eigentlich alles anstrengend ist, ist mein Balken natürlich schneller leer, als der von einem gesunden Menschen.
Gedankenkarussell
Ach ja herrlicher Zustand, im Gedankenkarussell gefangen zu sein.. nicht! Ein banaler Gedanke nach dem anderen kommt mir in den Kopf und ich kann sie nicht kontrollieren und auch nicht zu Ende denken. Dementsprechend kommen sie immer wieder. Ich kann dann aber auch nicht wirklich über etwas nachdenken, worüber ich nachdenken muss oder will. Für sinnvolle Gedanken ist dann gar kein Platz. Das könnt ihr euch so vorstellen: „Wie war das Wetter eigentlich.. Warum haben Bienen.. Wieso ist die Banane.. (mein Versuch über etwas nachzudenken) Was muss ich heute.. (Gedanke wurde abgebrochen) Warum ist die Erde.. Wir bleiben wach bis die Wolken wieder lila sind. Wir bleiben wach bis.. Warum habe ich jetzt einen Ohrwurm, obwohl ich..“. Und das geht stundenlang so. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als irgendwann durchzudrehen.
Innere Leere
Die innere Leere ist das komplette Gegenteil von dem Gedankenkarussell. Das macht es allerdings nicht wirklich erträglicher. Es ist eher noch ein ganz bisschen schlimmer, aber wirklich nicht viel. Das denken fällt mir währenddessen auch nicht leichter. Dann sieht es aber eher so aus: „…(lange Pause)…Ich…(lange Pause)…Warum…(lange Pause)… Wie…(lange Pause)… Kann…(lange Pause)…“. Es klappt einfach nicht. Ich bekomme nicht mal einen halben Satz in meinen Gedanken zusammen. Dann beginnt aber nicht direkt der nächste Gedanke. Nein, dann ist einfach alles leer. Als wäre das nicht schon schlimm genug, fühle ich auch nichts. Weder Freude, noch Trauer, noch Wut. Einfach nichts. Ich bin komplett kalt. Eiskalt. Und das stundenlang oder manchmal tagelang durchzuhalten, ist genauso unerträglich, wie das Gedankenkarussell.
Narben verstecken
Ja das gute alte verstecken Spiel, geht auch im späteren Alter noch weiter. Ich stehe aber eigentlich zu meinen Narben. Ich laufe damit offen rum. Sie sind ein Teil von mir. Wer mich akzeptiert, muss auch meine Vergangenheit und meine Narben akzeptieren. Wenn ich aber erst vor ein paar Tagen einen Anfall hatte und die Kontrolle verloren habe, habe ich neue Narben. Und wenn ich dann irgendwo hingehe und zum Beispiel weiß, dass ich auf ein Kind treffen werde, verstecke ich sie und lasse mir irgendwas einfallen. Ich möchte Kindern ungern meine Narben unter die Nase reiben und dann auch noch sagen, dass ich psychisch krank bin. Das Kind würde es wahrscheinlich sowieso nicht wirklich verstehen und später kommt es noch auf die Idee, das selber mal auszuprobieren. Dafür möchte ich nicht verantwortlich sein.
Angst vor fremden Menschenmassen
Bei dieser Angst kommt es auch immer auf meine Stimmung an und mit wem ich in die Menschenmenge gehe. Zudem kommt es auch eher darauf an, wie viele Menschen auf welcher Fläche untergebracht sind. Wenn es nur 20 Leute sind, wir aber in einem kleinen Wohnzimmer sitzen und ich die alle nicht kenne, ist mir das schon zu viel. Ich fahre auch gerne nach Hamburg, aber sobald ich in Hamburg bin, will ich wieder weg. Da sind mir zu viele fremde Menschen. Bei mir geht es auch eher darum, dass sie fremd sind. Ich bin mal mit einem Freund in ein Einkaufszentrum gegangen. Diese innere Anspannung war kaum auszuhalten und ich war komplett erstarrt und mein Gehirn schaltete sich aus. Und auch nachdem wir es wieder verlassen hatten, brauchte ich noch Zeit, um mich wieder zu beruhigen. Das kann manchmal wirklich belastend sein. Ich bin irgendwo und will es einfach nur genießen, aber ich schaffe es nicht, weil ich bei so vielen Fremden durchdrehe.
Mein Fazit
Ich habe also so ein paar Probleme im Alltag. Es ist allerdings nichts Lebensbedrohliches. Man kann immer lernen, mit Situationen besser umzugehen. Man muss es bloß wollen. Wobei mir gerade noch einfällt, dass ich mit Veränderungen oder unerwarteten Situationen nicht so gut umgehen kann. An meinem Geburtstag standen zum Beispiel plötzlich zwei Freunde vor meiner Tür. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich habe mich riesig gefreut, aber das hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Mein Gehirn hat nicht mehr wirklich funktioniert und ich war die ganze Zeit am Zittern und stottern. Es war dezent peinlich.
Zurück zu meinem Fazit. Ich habe also Probleme im Alltag, die nicht jeder hat und auch nicht so stark hat wie ich. Mit etwas Übung und genügend Willenskraft, ist es aber möglich das alles in den Griff zu bekommen. Ich darf nur nicht aufgeben. Ich denke allerdings, dass ihr schon gemerkt habt, dass ich nicht so schnell aufgebe. Und das solltet ihr auch nicht. Wenn es in eurem Leben Sachen gibt, die man ändern kann und die ihr ändern wollt, ändert sie! Ihr schafft das. Da bin ich mir ganz sicher. Und falls ihr es nicht alleine schaffen solltet, holt euch Hilfe.
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