Ich habe schon ein paar Mal geschrieben, dass es einem helfen kann, wenn man das aufschreibt, was einen bedrückt oder halt einfach gerade durch den Kopf geht. Zumindest hilft es mir sehr gut und ich habe schon öfters gehört und gelesen, dass es anderen auch gut hilft. Ich habe gestern ein bisschen meinen Laptop durchstöbert und bin auf Dokumente gestoßen, die ich geschrieben habe. Die möchte ich euch heute gerne zeigen.
Das Erste was ich euch zeigen möchte, ist ein Gedicht, welches ich in meiner Schulzeit geschrieben habe. In einem Unterrichtsfach haben wir einen Gedichte-Abend veranstaltet und dafür sollte man entweder alleine oder mit anderen zusammen, ein Gedicht schreiben. Ich hatte mich dafür entschieden, alleine ein Gedicht zu schreiben. Weitere Vorgaben gab es nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, müsste ich das vor ungefähr 6 Jahren geschrieben haben. Also in einem Alter von 14 Jahren. Hier ist das Gedicht:
Angst
Eigentlich hab ich Angst.
Angst, dich zu verlieren.
Angst, verletzt zu werden.
Bin viel lieber angstfrei.
Doch ich liebe dich zu sehr.
Ich denk an dich.
Und die erste Träne fällt.
Ich denke daran, dass ich nicht dein bin.
Daran, dass du mich nicht willst.
Mich nie im Leben richtig lieben wirst.
Und noch eine Träne fällt.
Mittlerweile ist es schon ein ganzes Tränenmeer.
Ich weiß, dass du mich irgendwann verlassen wirst.
Ich werde nie erfahren, was du für mich empfindest.
Ich liebe dich!
Wie ich darauf gekommen bin, sowas zu schreiben, weiß ich jetzt leider nicht mehr genau. Ich habe Vermutungen, aber weil ich mir nicht sicher bin, behalte ich sie lieber für mich. Bei dem Gedicht geht es allerdings nicht einfach nur um irgendein „Teenie-Liebeskummer“. Soviel weiß ich ganz sicher. Das Gedicht hat mehrere Faktoren.
Als Nächstes möchte ich euch etwas zeigen, welches nie fertig geworden ist. Damals habe ich probiert, ein Lied zu schreiben. Es ist allerdings bloß eine sehr kurze Strophe und ein Refrain geworden. Trotzdem kann es viel aussagen. Finde ich zumindest. Das müsste ich ungefähr im Alter von 15 geschrieben haben:
Strophe:
Das Leben kann schön sein,
aber auch sehr hart.
Es ist mal spaßig,
aber auch mal ernst.
Lass dir nichts sagen,
sondern lebe dein Leben wie es dir gefällt.
Refrain:
Die Sonne geht auf,
Und der Tag gewinnt.
Steh jetzt endlich auf,
Denn das Leben beginnt.
Ich glaube, dass ich das geschrieben habe, als ich gerade mal wieder etwas stärker war. Für mich war meine Welt sehr kaputt, aber ich wollte sie nicht aufgeben. Ich wollte um sie kämpfen und habe mir gesagt, dass jeden Morgen ein neuer Tag beginnt, an dem alles besser werden könnte.
Als Nächstes habe ich wieder ein Gedicht für euch, welches ich auch mit 15 Jahren geschrieben haben müsste. Das ist jetzt wieder etwas, was fertig geworden ist. Ich bin der Meinung, dass ich das geschrieben habe, als ich bei einer wichtigen Person das Gefühl hatte, dass ich ihr egal sei. Bis heute hat sich nicht viel verändert. Ich bin immer noch im Zwiespalt, ob ich es akzeptieren soll oder ob ich darum weiterhin kämpfen soll. Hier jetzt erstmal das Gedicht:
Mein Kopf ist voll,
voll mit Gedanken!
Alles war so wundervoll,
doch ich kann mich nicht bedanken!
Liebst du mich?
Hast du mich vergessen?
Vermisst du mich?
An mir hast du Interesse?
Ich seh dir nach,
mit nassem Blick.
Es zerbrach,
mein Herz mit Geschick.
Egal bin ich dir?
Du wirst sehen,
ich zeig dir was von mir!
Ich werd nun gehen!
Es macht mich kaputt.
Es verletzt mich sehr.
Mein Herz ist Schutt.
Schlafen? Ist nicht mehr.
Erinnerungen kommen wieder.
Alles fängt von vorne an.
Es macht mich nieder.
Es geht einfach nicht voran.
Wie ihr vielleicht merkt, habe ich damals probiert, es zu akzeptieren und zu verarbeiten. Allerdings ist es mir nicht gelungen. Irgendwas in mir sagt, dass ich es nicht tun sollte und weiter um diese Person kämpfen soll. Mal sehen, was die Zukunft noch so bringt.
Während meiner Suche fiel mir ein, dass ich auch noch etwas haben müsste, was ich mit Zettel und Stift geschrieben habe. Das möchte ich hier gerne dazwischenschieben, weil das zeitlich gesehen jetzt als Nächstes kommt. Ich schrieb das, als ich einen Anfall bekommen habe, der sich auf die innere Leere aufgebaut hat. Da hatte ich noch keine Ahnung davon, dass es im Prinzip für mich als Borderlinerin, etwas ganz Normales ist. Das ist ein Hilferuf, welchen ich bisher noch niemanden gezeigt habe. Mittlerweile ist das allerdings kein Hilferuf mehr. Das habe ich am 03.01.2018 um 21:40 Uhr geschrieben. Zu dem Zeitpunkt hatte ich also schon meinen Termin bei dem Allgemeinmediziner, aber war noch nicht bei der Psychologin. Ich war 19 Jahre alt und steckte in einem Tief fest:
Ich kann nicht mehr. Ich hasse mein Leben im Moment. Ich spüre schon wieder diese scheiß innere Leere. Ich bin jetzt aber schon im zweiten Stadium. Das erste ist einfach dieses gefühllos sein und an nichts denken zu können, aber trotzdem niedergeschlagen zu sein. Beim zweiten kommt dann das „grundlose“ weinen dazu. Und im dritten Stadium kommt dann das zittern hinzu und ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle. So ist es zumindest bei mir.
Ich habe keine Kraft mehr, dieses Gefühl zu akzeptieren. In letzter Zeit habe ich das nämlich täglich. Wenn das täglich so weitergeht, kann ich für nichts mehr garantieren. Ich habe sowieso kaum Energie, den Tag halbwegs zu überstehen, aber spätestens, wenn dieses leere Gefühl kommt, ist meine Energie komplett aufgebraucht. Ich habe dann kaum noch Kraft, vernünftig zu gehen.
Ich brauche ganz dringend Hilfe!!! BITTE!!! HILFE! BITTE! SCHNELL!
Ich habe den Text jetzt einfach so abgetippt, wie ich ihn zu dem Zeitpunkt geschrieben habe. Mittlerweile weiß ich, dass es bloß ein Anfall ist. Ich hatte bloß täglich einen Anfall, weil ich so geschwächt war. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, muss ich schwer schlucken. Ich sah echt nicht gut aus und lag die meiste Zeit in einem abgedunkelten Zimmer auf dem Bett unter der Decke und habe nichts gemacht. Meine Kraft war komplett aufgebraucht und ich müsste da auch gerade meine Essstörung gehabt haben. Sobald ich Essen gesehen habe, wurde mir schlecht und ich hatte nur noch ganz selten Hunger. Allerdings habe ich mich nicht übergeben. Mir war einfach nur unglaublich schlecht und ich habe nichts runter bekommen. Trotzdem habe ich mich immer wieder dazu gezwungen, weil ich nicht in der Magersucht landen wollte. Ich habe in 1 1/2 Monaten 12 Kg abgenommen. Gesund ist definitiv etwas anderes. Man sah mir an, dass ich mich sozusagen immer mehr zurückentwickelt hatte. Ich lief die meiste Zeit mit kaum Körperspannung herum. Kopf nach unten geneigt, Rücken nach vorne gebeugt und die Füße schleiften eher über den Boden. Das war definitiv keine schöne Zeit für mich und ich bin sehr froh, dass ich sie überstanden habe.
So jetzt kommen wir aber zum letzten Text, den ich euch hier zeigen möchte. Bei diesem Text habe ich ganz stumpf meine Gedanken mitgeschrieben. Ich hatte zu dem Zeitpunkt mal wieder einen Anfall und war mit mir selber und mit der ganzen Situation komplett überfordert. Diesen Text habe ich im Mai dieses Jahres geschrieben:
Und mal wieder sitz ich hier und weine. Wann fängt mein Leben endlich an? Ich bin schon 19 und ich weiß immer noch nicht wirklich, was es heißt, zu leben.. Nach der Trennung von meinem Freund ging mein Leben wieder bergauf. Ich dachte, dass ich endlich Leben kann.. Dann bekam ich aber einen Anfall. Es war alles gut und plötzlich fing ich an zu weinen und wurde sozusagen fremdgesteuert. Und dieser Fremde in mir wollte mir die ganze Zeit einreden, dass ich mich umbringen will und mich keiner braucht.. dass mich keiner vermissen würde.. dass alle sich freuen werden, wenn ich endlich Tod bin.. Wenn es überhaupt jemand bemerkt.. Ich mache immer nur Probleme.. Ich war schon immer das „Problemkind“.. Das höre ich schon seit Jahren. Wann hört es endlich auf?
Was aufhören soll? Einfach alles.. Die Krankheit.. Das Leben.. Die Vorwürfe.. Die Vorurteile.. Die schlechte Laune.. Die Depressionen.. Die Suizidgedanken.. Die Suizidversuche.. Diese unerträgliche innere Leere.. Dieses Gedankenkarussell.. Das hochkommen der Vergangenheit.. Kann ich jemals eine Bindung zu meiner Familie aufbauen? Bin ich irgendwann endlich menschlich? Kann ich irgendwann so leben wie andere gesunde Menschen? Oder sterbe ich so kaputt wie ich es jetzt bin? Wie werde ich sterben? Weil ein anderer nicht aufgepasst hat? Also durch einen Unfall? Oder wird es ein natürlicher Tod sein? Werde ich mich selber umbringen, weil mir alles zu viel wird? Falls ich noch länger lebe, werde ich eine Familie haben? Wenn ja, kann ich zu meinem Kind jemals eine Bindung aufbauen? Werde ich für mein Kind da sein können? Werde ich es lieben können? Wird es gesund sein? Wird es auch Depressionen oder Borderline bekommen? Wenn es dazu kommt, kann ich es frühzeitig erkennen und meinem Kind helfen? Wird mein Kind sich helfen lassen? Wird es mit anderen reden können? Wird es selbstbewusst genug sein, um der Gesellschaft standhalten zu können? Wird es ein glückliches Kind sein? Wird es stark sein so wie seine/ ihre Mutter? Wird mein Kind mich mögen? Werde ich jemals meine Krankheit an meinem Kind auslassen? Wird das Kind mich sozusagen umbringen, weil mir das alles zu viel wird? Werde ich mit meiner Krankheit und meinen Gedanken meine Beziehung kaputt machen, ohne es zu wollen?
Es soll jetzt bloß endlich mal aufhören.. Borderline ist eine scheiß Krankheit.. Scheiß Grenzleben.. In einem Moment geht es mir super und im nächsten Moment geht es mir unglaublich scheiße.. und ich kann es einfach nicht kontrollieren.. Das ist eigentlich das schlimmste.. Ich kann es nicht kontrollieren.. Ich habe so viele Ängste.. Angst mich nicht kontrollieren zu können.. Angst alle zu verlieren, weil ich krank bin.. Angst alles kaputt zu machen.. Angst nie gesund zu werden.. Angst ein scheiß Mensch zu sein.. Angst niemals wirklich glücklich sein zu können.. Angst andere zu verletzen.. Angst etwas falsch zu machen.. Angst zu versagen.. Angst mich zu blamieren.. Angst verletzt zu werden.. Angst zu leben.. Angst zu sterben..
Diese Angst, dass jeder Tag mein letzter Tag sein könnte, zerreißt und schwächt mich.. Ich kann nicht mehr.. Ich habe keine Kraft mehr.. Alles ist so unglaublich anstrengend.. Manchmal habe ich nicht mal die Kraft, aufzustehen..
Wie man vielleicht merkt, war ich wirklich sehr überfordert. Ich hatte Suizidgedanken, hatte Selbstzweifel, war verzweifelt, hatte gefühlt unendlich viele Fragen im Kopf und hatte gefühlt vor alles und jedem Angst. Allerdings habe ich es trotzdem geschafft, diesen Anfall zu überstehen, ohne mir Schmerzen zuzufügen. Darauf bin ich verdammt stolz. Als ich mir den Text nämlich gestern durchgelesen hatte, fing ich sofort wieder an zu weinen. Der Text geht mir wirklich sehr nahe und ich bin mir gerade nicht sicher, ob den schon mal jemand gesehen, gelesen oder zu hören bekommen hat. Ich glaube nicht. Ein paar Sachen daraus habe ich mal erwähnt, aber ich habe nie den ganzen Text irgendjemandem gezeigt.
Ich denke, dass es jetzt aber reicht. Das war jetzt definitiv genug Gefühlschaos für heute und ich hoffe, dass es heute ein eher entspannter Tag wird. Also sowohl für mich als auch für euch. Ich wünsche euch noch einen schönen Morgen/ Tag/ Abend/ Nacht oder wann auch immer ihr diesen Beitrag lest.
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