Die Beichte

Der Titel klingt jetzt schlimmer, als es vielleicht ist. Heute wird kein besonderer Beitrag kommen, weil ich dazu nicht in der Lage bin. Ich werde euch jetzt einfach erzählen, wieso ich dazu nicht in der Lage bin und euch erzählen, was ich „beichten“ muss.

Gestern fing der Tag gut an. Ich hatte gute Laune und war mit einer Freundin unterwegs. Haben viel gequatscht und sie hat mir etwas gezeigt, was mir helfen könnte, wenn ich mal wieder eine Down Phase habe. Das werde ich mal ausprobieren und dann kann ich euch davon berichten, was es ist und ob es mir hilft.

Also es war alles gut und abends hatte sie mich dann wieder nach Hause gebracht und es war immer noch alles gut. Dann wollte ich mein Handy durchgehen und allen antworten. Wenn ich bei anderen bin, gucke ich nämlich nicht so oft auf mein Handy. Das finde ich immer unhöflich. Es sei denn, es ist gerade etwas Schlimmes passiert oder so. Dann haben meine Freunde aber auch Verständnis dafür und ich auch bei meinen Freunden. Mein Handy wollte aber nicht so wie ich. WhatsApp brach immer wieder ab und ich bekam eine Nachricht nach der anderen. Ich habe das Handy dann neu gestartet und es wurde nicht besser. Dann bin ich durchgedreht und wurde wütend. Die innere Anspannung machte sich breit und ich war mit mir selber überfordert. Ich musste schnell irgendwie handeln.

Da mein Kopf aber nicht mehr so funktionierte, wie er eigentlich sollte, fiel mir nicht viel ein, was ich machen könnte. Ich habe mir dann Kopfhörer aufgesetzt und wollte so laut Musik hören, wie es nur geht. Den Bass musste ich in meinem Körper spüren und die Musik sollte mich beruhigen und so laut sein, dass mein Kopf keine Chance hat, dagegen anzukommen. Leider habe ich bei YouTube nichts gefunden, was meiner Vorstellung entsprach. Alles war viel zu leise für mich, obwohl es sehr laut war. Dann fiel mir ein, dass ich von einem Freund hier noch eine CD herumliegen habe mit Metal Musik, die ich mir sowieso noch anhören wollte. Dann habe ich die in meinen Laptop gepackt und habe es damit probiert. Wirklich geholfen hat das leider auch nicht. Die Anspannung wurde immer größer und der Drang zu sterben auch.

Ich bin dann doch wieder auf YouTube umsteigen, weil ich diese CD nicht mit ritzen in Verbindung bringen wollte. Es lief also wieder laute Techno Musik. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mein Handy schon ausgeschaltet, weil ich keinen Kontakt zur Außenwelt wollte. Keiner wusste zu dem Zeitpunkt, was mit mir los ist und dass es mir nicht gut geht. Nach ungefähr einer halben Stunde konnte ich nicht mehr. Ich war nur noch am Weinen und am Zittern. Es war nicht mehr auszuhalten. Dann griff ich leider zur Klinge und fing an, mich zu ritzen. Davor habe ich mich das letzte Mal vor 7 Wochen geritzt. Das ist das, was ich beichten möchte. Ich konnte dem Druck nicht standhalten und habe mir doch wieder Schmerzen zugefügt.

Nach den ersten Schnitten kam ich wieder ein bisschen zu mir. Als ich dann die Schnitte auf meinem Oberarm realisiert habe, war ich sehr enttäuscht von mir und fiel wieder tiefer in ein Loch. Daraufhin fügte ich mir noch mehr Schnitte zu. Dann kam ich wieder zu mir und habe es realisiert. Daraufhin habe ich mich dann dafür gehasst, dass ich schwach geworden bin und dafür, dass ich durch das schwach werden, schwach wurde und zweimal zur Klinge gegriffen haben. Dann habe ich mich aus Wut und Hass nochmal geritzt. Das habe ich vorher noch nie erlebt. Normalerweise greife ich höchstens einmal zur Klinge. Dann bin ich ins Badezimmer gegangen und hatte mal wieder ein Gespräch mit meinem Spiegelbild.

Ich habe mich selber angeschrien und habe dabei geweint. Dann merkte ich, dass meine Beine immer schwächer wurden und dann bin ich zusammengebrochen. Ich saß dann weinend und schreiend auf dem Boden im Badezimmer und schrie nach Hilfe. Auch wenn ich weiß, dass ich eigentlich nicht alleine bin, habe ich unglaublich alleine gefühlt. Plötzlich war ich still. Ich fühlte mich komplett leer und habe ohne Traum vor mir hingeträumt. Dann stand ich auf und ging in mein Wohnzimmer und griff tatsächlich ein viertes Mal zur Klinge. Diesmal setze ich die Klinge an mein Handgelenk an und nicht an meinen Oberarm wie davor. Zum Glück sind die Schnitte nur oberflächlich. In einer Woche wird man die nicht mehr sehen. Ich hatte solche Angst, dass es jetzt vorbei ist.

Keiner der Schnitte ist so tief, dass ich damit zu einem Arzt müsste. Das ist das „Gute“ an meiner Klinge. Mit der kann man nicht so tief schneiden. Ich hatte zwar überlegt mir ein Messer zu nehmen und hatte auch schon eins in der Hand, aber ich habe es zum Glück wieder zurückgelegt.

Nach einer guten Stunde habe ich mein Handy dann wieder eingeschaltet. Allerdings war ich immer noch leer und nicht wirklich stabil. Das bin ich jetzt aber auch noch nicht. Mir kamen heute auch schon wieder ein paar Mal die Tränen und eine innere Anspannung wollte sich breit machen. Ich war vorhin auch einkaufen. Danach habe ich beschlossen, dass ich heute meine Wohnung nicht mehr verlassen werde. Immer wenn ich eine Straße überquert habe, habe ich links und rechts zwar nach Autos geguckt und habe sie auch auf mich zufahren sehen, aber ich habe sie irgendwie nicht wirklich realisiert. Ich ging einfach weiter und habe weiter das Auto, welches auf mich zufuhr angeguckt. Das war wirklich unheimlich. Ich war unglaublich froh und erleichtert, als ich hinter mir die Wohnungstür geschlossen habe.

Im Endeffekt fühle ich mich immer noch so, als wäre ich ein bisschen in dem Anfall drinnen und der Drang zum SVV ist auch noch da, aber der Drang ist auszuhalten. Allerdings habe ich gestern zum ersten Mal darüber nachgedacht, ob ich nicht in eine Geschlossene gehen sollte. Den Gedanken hatte ich aber nur ganz kurz und dann war ich wieder bei der Meinung, dass das nichts für mich ist. Ich wäre bloß gerne in einer Geschlossenen, wenn ich so einen Anfall habe. Ansonsten wäre ich gerne ein freier Mensch. Es geht mir jetzt aber schon um einiges besser als gestern Abend. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich mein Handy wieder eingeschaltet habe. Dadurch konnten Freunde mich ablenken und mit mir kommunizieren, damit ich nicht nochmal zur Klinge greife. Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass ich Freunde habe, die für mich da sind.

Tanja Verfasst von:

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